Sonntag, 2. März 2014

Israel im Visier - Kommentar zu einer Karikatur vom 26. Februar 2014

Fünfzig Jahre deutsch-israelische Beziehungen werfen ihre Schatten voraus: Es war ein großer Staatsbesuch, wie den Medien und der Internetseite der Kanzlerin zu entnehmen war – das Kabinett zwei Tage unterwegs:
„24.Februar: Am Montag und Dienstag kommen in Jerusalem die deutsche und die israelische Regierung zu den fünften Deutsch-Israelischen Regierungskonsultationen zusammen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von 16 Ministerinnen, Ministern und Staatsministern begleitet.
Im Mittelpunkt steht der Themenkomplex "Innovation". Weiteres Schwerpunktthema sind die Vorbereitungen zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, der 2015 begangen wird.
Die Bundeskanzlerin kommt am Montagabend zu einem bilateralen Gespräch mit dem israelischen Premierminister Netanjahu zusammen. Sie wird ebenfalls den israelischen Oppositionsführer Herzog und Vertreter der Zivilgesellschaft treffen. 
25. Februar: Auch heute kommen in Jerusalem die deutsche und die israelische Regierung zu den fünften Deutsch-Israelischen Regierungskonsultationen zusammen.
Nach Abschluss der Konsultationen wird Bundeskanzlerin Merkel am Dienstagnachmittag mit dem israelischen Präsidenten Peres zusammentreffen. Peres wird der Bundeskanzlerin wegen ihres Engagements für die deutsch-israelische Freundschaft den höchsten israelischen Staatsorden "Presidential Award of Distinction" verleihen.“

Soweit so gut von offizieller deutscher Seite. Eine Meldung am Rande: Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte seine Teilnahme kurzfristig wegen Krankheit ab. Böse Zungen behaupteten, auf diese Weise hätte er elegant vermieden, seinen israelischen Amtskollegen Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Haus“ zu treffen, der sich nur wenige Wochen zuvor über die Rede des Europaabgeordneten Martin Schulz vor der Knesset am 12.2.2014 (vollständig dokumentiert in der FAZ http://www.faz.net/aktuell/politik/israel-schulz-knesset-rede-im-volltext-12798970.html ) so erbost hatte, das er mit seiner Fraktion das Parlament verließ. Schulz hatte in seiner Rede statt sich an Fakten zu halten erklärt, eine der Fragen, die ihn nach seinem Besuch in Ramallah am meisten bewegt habe sei „Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?“ – ein nicht auf Fakten beruhender Vergleich sondern palästinensische Propaganda unreflektiert als Tatsache präsentiert. Gabriel selbst hat Erfahrungen mit entsprechenden Fettnäpfchen – am 14. März 2012 um 15:31 schrieb er auf seiner Facebookseite: „Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Immerhin – 987 mal gefällt mir (Stand 27.02.2014 21:38). Der Protest folgte seinerzeit umgehend, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte eine Entschuldigung (Welt 15.3.2012 http://www.welt.de/politik/deutschland/article13923353/Gabriel-nennt-Israel-Apartheid-Regime.html ). Beruhigend, dass Gabriel diesmal über seinen Pressesprecher ausrichten ließ, die Erkrankung sei nicht ernst. Kommt wohl darauf an, wie man es sieht. Wenn deutsche Politiker ihre Politik an zielgerichteten Propagandalügen ausrichten ist das zumindest ein ernstzunehmendes Problem.

Indes allerdings zeigt sich, dass nicht nur Schulz und Gabriel ein Problem mit der israelischen Politik haben. Vorurteile sind langlebig. Und manche althergebrachten Ängste werden wohl niemals aussterben. Derzeit ist die deutsche Medienlandschafte jedenfalls wieder voll davon. Nach der Debatte um das Grasgedicht und die antisemitischen Karikaturen, die die Süddeutsche regelmäßig publiziert – jüngstes Beispiel Facebook als Krake vom 21. Februar 2014 -  haben wir nun also eine weitere Karikatur, die durch den deutschen Blätterwald, der in ungebrochener Kontinuität Bilder antisemitischer Stereotype produziert, geistert.

Das Bild zeigt einen zufriedenen Peres, der eine Akte mit der Aufschrift „Deutsch-Israelische Beziehung“ unter den Arm geklemmt haltend nach links aus dem Bild läuft und dahinter eine gelähmte Angela Merkel, Entsetzen im Blick, einen Orden um den Hals, dessen Band ihr den Mund zubindet. Das Bild kann auf der Internetseite des Künstlers angesehen werden. Es erschien in der Saarbrücker Zeitung sowie der Ärztezeitung vom 26.2.2014 – hier ohne jeden weiteren inhaltlichen Bezug.

Was sagt uns das? Angela Merkel ist nicht die einzige Person, die diesen Orden erhielt. Auch Barack Obama hat ihn erhalten – dass er deshalb vor Kritik an Israel zurückschreckt kann wohl niemand behaupten. Genauso wenig wie Angela Merkel. Angela Merkel mundtot durch einen Orden – offenbar eine Schreckensvision eines ansonsten durchaus einfallsreichen Karikaturisten. Hier allerdings hat der gesunde Menschenverstand versagt und es wird auf allen Klaviaturen antisemitischer Stereotype gepielt. Stürmerreife Leistung anno 2014.





Montag, 31. Januar 2011

Tal der Wölfe Palästina – Ein türkischer Film mit deutschen Untertiteln

Der Feind trägt eine Augenbinde und heißt Mosche. Dazu hat er einen Karl-Lagerfeld-Pferdeschwanz – Anbindung an die Gegenwart offensichtlich erwünscht. Eine Stunde und fünfzig Minuten Krieg lassen einen irgendwann hoffen, dass die Ballerei bald ein Ende haben möge. Zwischenzeitlich wirkt es lächerlich, wenn man nur noch schemenhaft erahnt wer gerade wen in die Luft sprengt oder niedermetzelt – es werden Bataillone israelischer Soldaten gemeuchelt, zumeist in schwerer Kampfuniform. Die das tun sind vier Rächer in Zivil. Denn es wurden und werden auch Palästinenser gemordet – als ganz besonderer Höhepunkt wird ein behinderter Junge unter einem Haus lebendig begraben. Die Israelis setzen unerlaubte Waffen ein – sie verstoßen gegen UN-Konventionen. „No War“ und „UN?“ gehören zu den Graffitis, deren Sinn sich auf Anhieb erschließt. Ebenso wie die Rolle der jüdischen Amerikanerin, die als unbedarfte Touristin in den Strudel der Gewalt gerät:

Szene 1: Ein türkisches Schiff will Hilfslieferungen an die bedürftigen Brüder und Schwestern in Gaza/Palästina bringen, auf die diese vorgeblich dringend warten. Sie werden von israelischen Soldaten brutal überfallen, die mit Maschinengewehren wahllos auch auf Frauen und Kinder schießen – am Ende der Szene bleibt ein hilfloser Mann mit Schlagstock im Gedächtnis, der gegen diese Übermacht nichts ausrichten konnte. Eine schlüssige Auftaktszene, die jeder Realität entbehrt.

Szene 2: Das türkische Rächerkommando ist unterwegs nach Palästina. Mission: Mosche töten. Der hatte den Befehl zum Kampfeinsatz gegen das Schiff gegeben. Am Grenzübergang werden sie aufgehalten, und mit ihnen eine verirrte Amerikanerin, die ihre Reisegruppe verloren hat.

Ein roter Faden: Sie wird eine wichtige Rolle spielen, diese Amerikanerin, denn: Juden sind nicht böse – nur "Tyrannen" sind böse. Und zudem wird sie eine Metamorphose durchmachen: von der tablettenabhängigen Hosenträgerin, einer einsamen Frau die ungewollt keine Familie hat weil ihr Freund sie verlassen hat und die deshalb zu Schmerzmitteln greift – „Wir haben auch Schmerzen“ sagt die weise Palästinenserin, die eine Horde Kinder um sich versammelt in der Küche steht und Essen bereitet, und „Tabletten helfen nicht“ – zur Schönheit im roten Kleid. Sie darf überleben, nachdem sie am Ende auch das Essen nicht mehr verweigert wie anfangs („Ich bin Vegetarierin“) und nachdem sie ebenfalls die Hölle israelischer Gefangenschaft und Folter durchgemacht hat – sie wird mit verbundenen Augen und Händen vorgeführt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Mosche, in der sie sich beide gegenseitig davon zu überzeugen suchen, wer der „wahre“ Jude sei, sagt sie zu ihm: „In der Bibel steht, du sollst keine Menschen töten“. Seine Antwort lautet: „In der Bibel steht du sollst keine Juden töten.“ Das ist ein wichtiger Schlüsselsatz, denn es spiegelt einen Vorwurf, dem sich islamische Staaten immer wieder ausgesetzt sehen: der Hierarchisierung des Wertes von Menschen aufgrund der Religion. So erfährt
Rassismus eine neue Legitimation.

Am Ende überlebt der palästinensische Anführer des vermeintlichen Rächerkommandos, dessen Sohn lebendig begraben wurde, in der Hand das Amulett, das sein Sohn ihm gab um sein Überleben zu sichern: der (Aber)Glaube hat gesiegt. Und die Amerikanerin? Sie war ihm kurz vor dem Ende des Films schon um den Hals gefallen, fast könnte man an eine Liebesgeschichte glauben. Sie wird ganz klar in die Welt zurückgeschickt, aus der sie immer wieder auszubrechen sucht: "Was machst du hier? Du gehörst ins Haus!"

Und das Ende ist natürlich der Sieg: Nachdem er das Arsenal der illegalen Waffen geraubt und dem eigenen Fundus einverleibt hatte kann er Mosche auch das andere Auge wegschießen – Mosche stirbt und das Publikum atmet laut erleichtert auf. Applaus aus den eher spärlich besetzten Reihen. Die Tortur hat ein Ende und ich verlasse etwas benommen von der ganzen Knallerei das Kino – allzu viele Untertitel brauchte es gar nicht, denn Worte wurden nur spärlich gewechselt.

Trotz aller Stereotype – oder vielleicht gerade deshalb, weil sie so geballt und ungewollt fast komisch absurd auftreten, wirkt der Film lächerlich. Wenn die Botschaft nicht offener Hass gegen eine Nation wäre – ganz nach dem Motto „früher haben wir Israel nicht anerkannt, aber jetzt tun wir das doch, es gibt keinen Grund mehr, dass sie uns das antun“ – man könnte den Film als harmlose Inszenierung wilder männlicher Kriegsphantasien mit zwischenzeitlich zugegebener weise recht brutalen Szenen abtun. Frauen spielen in dieser Welt keine Rolle. Aber ganz anders als bei Rambo, ein Vergleich, der ja bei Actionfilmen immer wieder gerne herangezogen wird, handelt es sich nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit, um die Wiedergewinnung des eigenen Respekts nach einer Niederlage, sondern es handelt sich um die Wunschprojektion des in die Zukunft gerichteten kompletten Auslöschen eines Staates durch die Vernichtung seiner Repräsentanten – einen guten israelischen Juden gibt es nicht. Die israelischen Soldaten, denen das Recht auf Leben aufgrund ihres Dienstes für Israel abgesprochen wird, sind am Ende ausnahmslos tot. Mosche muss dabei für das personifizierte Böse herhalten, zusammen mit Avi, der als „einzigen Ausweg“ für eine sichere Zukunft die Gründung eines „Großisraels“ – vom Euphrat bis zum Nil - proklamiert, den Gründungsmythos des Staates Israel mit der Judenverfolgung in Polen erklärt und von der Amerikanerin namens Levi diesbezüglich widerlegt wird. Kurz vor Ende des Films sterben noch die beiden engsten Gefolgsleute der Kontrahenten, indem sie sich gegenseitig erschießen. So wirkt der Sieg über Mosche, zu dem das Amulett beigetragen hat, am Ende noch einmal mehr wie ein Wunder während die Welt explodiert. Denn: „Für jedes gekrümmte Haar eines Unschuldigen würden wir die Welt opfern“.

Ein Glück, dass es keine Unschuldigen gibt. Einen kleinen Eindruck bietet der Trailer unter
http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/tal-der-wolfe-palastina

Wer den gesehen hat weiß schon eine Menge über den Film – auch, dass er ihn nicht sehen muss um zu wissen, dass er sicher doch Dumme findet, die in ihrem Hass auf Israel bestärkt aus dem Kino gehen.

Nikoline Hansen

Sonntag, 12. Dezember 2010

Presse- und Meinungsfreiheit 2010

Hoffnung hält den Mensch am Leben – erst Recht in Situationen, die bedrohlich sind. In einer solchen Situation befinden sich zwei deutsche Journalisten seit dem 10. Oktober 2010 im Iran. Angela Merkel am 12.10. im Deutsche Welle TV: „Wir haben natürlich ein großes Interesse, dass die beiden Staatsbürger wieder frei werden und das Auswärtige Amt unternimmt auch alles was in unseren Möglichkeiten steht“.

Am 17. November schrieb die Bildzeitung: „Das Drama um zwei Deutsche im Iran spitzt sich zu! Walter Mayer, Chefredakteur BILD am SONNTAG: „Seit über einem Monat bangen wir um zwei Reporter, die im Iran inhaftiert sind. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um den Kollegen und ihren Angehörigen zu helfen. Zu ihrem Schutz werden wir uns zu weiteren Einzelheiten noch nicht äußern.“

Am 29. November ging der Exil-Iraner Dr. Kazem Moussavi mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin in die Offensive, indem er die Namen der inhaftierten Journalisten erstmals öffentlich machte. Er schrieb u.a.:

„Die verhafteten deutschen Journalisten Marcus Hellwig (Redakteur) und Jens Koch (Fotograf) müssen vom islamistischen Regime im Iran sofort und bedingungslos freigelassen werden! Seit mehr als 7 Wochen sind zwei deutsche Journalisten, deren Namen bisher nicht genannt wurden, in Geiselhaft der Teheraner Machthaber und darüber sind die Öffentlichkeit und deren Familienangehörige sowie die Kollegen in Deutschland sehr besorgt.

Für die Freilassung der Journalisten haben die bisherige geheime Diplomatie der Bundesregierung sowie die Iran-Reisen von Abgeordneten des Bundestages unter Leitung von Peter Gauweiler/Claudia Roth sowie anschließend von Frau MdB Hoff (FDP) wie auch kürzlich des Gesandten von Herrn Außenminister Guido Westerwelle absolut nichts gebracht.

Der wichtigste Grund dafür ist: Laut zuverlässigen Informationen wird der Fall der beiden deutschen Journalisten direkt durch das Büro des Revolutionsführers Ali Khamenei koordiniert und in dessen Auftrag vom Hohen Nationalen Sicherheitsrat der Islamischen Republik unter der Leitung von Saeed Jalili, dem derzeitigen Atom-Chefunterhändler des Regimes im engen Kontakt mit Ali Reza Sheikh Attar, dem Botschafter des iranischen Regimes in Deutschland umgesetzt.

Der Plan, den Khamenei und die Regierung Ahmadinejads mit der Geiselhaft der deutschen Journalisten verfolgen, ist, auf Zeit zu setzen und die Gefangenen als Druckmittel zu nutzen, um weitere Sanktionen Deutschlands und Europas zu verhindern und dadurch atomare Ziele voranzutreiben und zu realisieren. Die Atombombe ist für das Überleben des Mullah-Regimes im Iran notwendig. Sie ist gleichzeitig ein Gewaltinstrument, das die Umsetzung der Expansionspolitik und der Vernichtungsabsichten des Systems gegen Israel sichert und beschleunigt. Die Intensivierung von Wirtschaftsbeziehungen und Dialogpolitik bereitet dem Regime die Möglichkeit, seine ideologischen Ziele eher zu bewerkstelligen.“

Der Erfolg war verhalten. Eine Antwort gibt es nicht. Die deutsche Politik arbeitet offenbar nach dem Prinzip Hoffnung. Sicher muss sie den Preis für die Freilassung der beiden deutschen Journalisten so gering wie möglich halten. Nach dem Prinzip Hoffnung kann man da nur sagen: Hoffentlich ist der Preis nicht unbezahlbar. Erschreckend ist vor allem die Tatsache, dass alle Diplomatie und Verhandlungen bislang nur zu einer größeren Erpressbarkeit und dem Verlust der Glaubwürdigkeit führen. Den Menschen – weder unseren deutschen Journalisten noch den Iranern, die unter dem Terrorregime der islamischen Regierung leiden, ist damit geholfen.

Am 08. Dezember 2010 um 15.40 Uhr meldet die Berliner BZ: „Kommen die beiden deutschen Journalisten im Iran möglicherweise vor Weihnachten frei? Der Sprecher des Außenministeriums in Teheran stellte eine baldige Rückkehr nach Deutschland in Aussicht.“ Eine kurze Meldung. Denn: Weihnachten erhöht den Druck und den Preis, den wir für die Freilassung zu zahlen haben. Das wissen auch die Journalisten, die diese Meldung klein halten. So bleibt sie sinnentleert und wunschlos. An Gedenktagen werden die Namen toter Opfer verlesen – Lebende bleiben offenbar mal wieder verdächtig und namenlos.

Wieso erscheint sie überhaupt? Wer bei den Reportern ohne Grenzen nach den beiden deutschen Journalisten fahndet wird nicht fündig – obwohl man am 16.11. nach dem Spionagevorwurf eine Presseerklärung herausgab, in der dieser Vorwurf auf das Schärfste verurteilt wurde – vielleicht zeigte das Erfolg, denn der Spionagevorwurf wurde inzwischen fallen gelassen. Allerdings: unter den aufgeführten weltweit 149 inhaftierten Journalisten (Stand 12.12.2010) tauchen die beiden Deutschen nicht auf. Im Iran sind 26 Journalisten inhaftiert – die größte Anzahl in einem Land überhaupt. In einer Presseerklärung vom 9. Dezember kritisiert Reporter ohne Grenzen „erneute Repressionen gegen Journalisten und Internetnutzer im Iran: Während der Atomverhandlungen der Regierung mit westlichen Ländern sind vier Journalisten der reformorientierten Zeitung Schargh verhaftet worden. Bei den am 7. Dezember festgenommenen Medienmitarbeitern handelt es sich um den Direktor des Blattes Ali Chodabaksch, den Chefredakteur Ahmed Gholami, die Leiterin des Ressorts „Internationales“, Farsaneh Rustaei, sowie den Leiter des Politik-Ressorts Keywan Mehregan.“ Die Namen der deutschen Journalisten? Fehlanzeige. Zeitgleich zeichnete Reporter ohne Grenzen den iranischen Journalisten Abdolresa Tadschik, der seit dem 10. Juni 2010 erneut im Gefängnis sitzt, am 9. Dezember in Paris als „Journalist des Jahres“ aus.

Iran – das Land, das den Frieden sucht? Deutschland – das Land, das gerade entsprechend vorgeführt wird? Warum können wir nicht mit gutem Beispiel und einer unaufgeregten regelmäßige Berichterstattung vorangehen? Es ist wichtig, Menschen beim Namen zu nennen, an sie zu erinnern und sich auf diese Art und Weise persönlich für sie einzusetzen. Reporter ohne Grenzen tut das auf internationaler Ebene – im Fall der beiden deutschen Journalisten aber nicht. Das ist unverständlich und aus meiner Sicht unverantwortlich, denn Totschweigen hat noch nie geholfen. Es kann höchstens den Preis erhöhen, den wir zu zahlen haben. Aber vielleicht tun wir das ja freiwillig und gerne. Schließlich ist Verhandeln politisch korrekt. Nur sind unsere Möglichkeiten offensichtlich sehr begrenzt.

Der Kampf um die Presse- und Meinungsfreiheit war dieses Jahr das eigentliche Thema bei der Vergabe des Friedensnobelpreises. Auch deshalb weigerten sich 15 Länder, an der Preisverleihung teilzunehmen, darunter neben China Russland, Afghanistan, und Irak auch der Iran. Der Stuhl des Preisträgers blieb leer – zum ersten Mal seit der Verleihung des Preises an Carl von Ossietzky 1936. Die zentrale Botschaft des Preisträgers, des chinesischen Schriftstellers Liu Xiaobo wurde trotzdem verbreitet: „Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Menschenrechte, die Quelle der Humanität und die Mutter der Wahrheit. Freiheit zu strangulieren bedeutet, die Menschenrechte mit Füßen zu treten, Menschlichkeit zu ersticken und die Wahrheit zu unterdrücken.“

In diesem Sinne ist es unsere Pflicht, auch unseren beiden deutschen Journalisten öffentliche Solidarität und Beistand zu erweisen. Es scheint allerdings, dass der Preis für die Freilassung umso höher wird je mehr wir heimlich verhandeln – eine absurde Situation. Menschen als Geiselpfand zu benutzen ist jenseits jeglicher legitimer Diplomatie. Gerade deshalb dürfen wir nicht Schweigen!

Samstag, 16. Oktober 2010

Deutscher Grusel Oktober 2010

Das Denkmal für die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz in Berlin. Eine Touristengruppe steht mit gesenkten Häuptern darum herum, blickt unter die Erde und lauscht der Fremdenführerin, die Heinrich Heine zitiert. Als sie damit fertig ist macht sie eine kurze dramaturgische Pause und sagt dann in einem leicht triumphierenden Tonfall: „Das hat einen Gänsehautfaktor, nicht wahr?“